Die Ablösung der TRGS 523 aus dem Jahr 1996 durch die neue TRGS 540, die im September 2025 in Kraft trat, markiert einen Paradigmenwechsel in der regulatorischen Behandlung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Deutschland. Diese Analyse untersucht die wesentlichen Veränderungen und ihre praktischen Auswirkungen auf die Branche.
Von der nationalen Insellösung zur europäischen Harmonisierung
Der grundlegendste Wandel betrifft die rechtliche Grundlage selbst. Während die TRGS 523 ein rein deutsches Regelwerk darstellte, basiert die TRGS 540 auf der EU-Biozidprodukteverordnung (Nr. 528/2012). Diese Harmonisierung bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich.
Die alte TRGS 523 definierte in Nummer 2.1 Schädlingsbekämpfungsmittel schlicht als "Stoffe und Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, Schädlinge und Schadorganismen oder lästige Organismen unschädlich zu machen oder zu vernichten." Die neue TRGS 540 übernimmt in Abschnitt 2 Absatz 2 eine deutlich präzisere Definition: "Biozid-Produkte sind dazu bestimmt, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Wirkungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen."
Praktisch bedeutet dies, dass Schädlingsbekämpfer nun mit Zulassungsnummern wie "DE-0012345" oder "EU-0012345" arbeiten statt mit den bisherigen Registriernummern. Die Zusammenfassung der Produkteigenschaften (Summary of Product Characteristics, SPC) wird zur zentralen Informationsquelle, die in der ECHA-Datenbank verfügbar ist.
Differenzierte Verwenderkategorien statt einfacher Zweiteilung
Die TRGS 523 kannte in Nummer 4.2 nur eine einfache Unterscheidung: Hilfskräfte durften "nur unter der unmittelbaren ständigen Aufsicht des Sachkundigen eingesetzt werden." Die TRGS 540 führt dagegen in Abschnitt 2 Absatz 11 ein dreistufiges System ein:
Erstens die "Breite Öffentlichkeit", zu der Verwender gehören, "die ein Biozid-Produkt entweder privat oder in ihrem Unternehmen zu einem Zweck benutzen, der nicht ihrer gewerblichen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann." Diese Kategorie entspricht im Wesentlichen den Verbrauchern und erfordert keine besonderen Vorkenntnisse.
Zweitens die "Berufsmäßigen Verwender", die "Biozid-Produkte entweder gewerblich oder industriell in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer hauptsächlichen beruflichen Tätigkeit" verwenden. Diese verfügen über die notwendigen Kenntnisse durch "Berufsausbildung, Berufserfahrung oder Berufspraxis sowie regelmäßige externe oder interne Schulungen oder Unterweisungen."
Drittens die "Geschulten berufsmäßigen Verwender", die über eine Sachkunde nach Anhang I Nummer 4.4 der Gefahrstoffverordnung verfügen müssen.
Diese Differenzierung schafft zwar mehr Klarheit, führt aber auch zu Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis. Anhang 3 der TRGS 540 stellt ein detailliertes Auswahldiagramm zur Verfügung, das anhand von Kriterien wie der Einstufung als akut toxisch (Kategorien 1-3), krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch (Kategorie 1A oder 1B) die erforderliche Qualifikation bestimmt.
Fachkunde als neue Qualifikationsebene
Während die TRGS 523 in Nummer 4.3 ausschließlich die Sachkunde kannte, führt die TRGS 540 in Abschnitt 2 Absatz 12 das Konzept der Fachkunde ein. Diese ist weniger formalisiert und definiert sich über drei alternative Wege:
Erstens durch "eine geeignete Berufsausbildung", wobei als Beispiel der geprüfte Schädlingsbekämpfer genannt wird. Zweitens durch "Berufserfahrung", die sich über "einen längeren, für das Verwenderprofil relevanten Zeitraum" erstrecken muss. Drittens durch "eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit", wobei zeitnah bedeutet, dass sie "nicht länger als ein Jahr zurückliegt."
Besonders relevant wird die Fachkunde für Biozid-Produkte der Hauptgruppe 3 (Schädlingsbekämpfungsmittel) und für Produkte mit endokrinschädigenden Wirkstoffen. Abschnitt 5.3.2 Absatz 3 stellt klar: "Fachkunde ist nicht erforderlich, wenn die jeweilige Verwendung des Biozid-Produktes aus einer der vorgenannten Produktarten ebenfalls oder ausschließlich für die breite Öffentlichkeit zugelassen ist."
Fortbildungsverpflichtungen werden konkretisiert
Die alte TRGS 523 enthielt in Nummer 4.5 lediglich den lapidaren Satz: "Der Sachkundige muss sich regelmäßig fachlich fortbilden." Die neue TRGS 540 konkretisiert dies erheblich in Anhang 4.
Für die Fachkunde bei Schädlingsbekämpfungsmitteln der Hauptgruppe 3 empfiehlt Anhang 4.1 Absatz 5 eine modulare Struktur: Modul 1 umfasst Grundkenntnisse mit 15 Lehreinheiten zu Themen wie "Rechtsgrundlagen und Rechtsvorschriften (mindestens 1 LE)", "Informationsquellen, Zulassung und SPC (2 LE)" und "Substitutionsprüfung (1 LE)."
Modul 2 differenziert nach Produktarten: Für Rodentizide (PT14) werden 8 Lehreinheiten veranschlagt, für Insektizide und Akarizide (PT18) 10 Lehreinheiten, für Repellentien und Lockmittel (PT19) 8 Lehreinheiten. Die Themen reichen von "Zieltierbiologie" über "Wirkstoff" und "Verwendungs-/Ausbringungsart" bis zu "produktspezifischer PSA."
Anhang 4.1 Absatz 6 fordert zudem: "Die Fachkunde ist regelmäßig durch spezifische Fortbildungsmaßnahmen aktuell zu halten. Der Inhalt dieser wiederkehrenden Fortbildungsmaßnahmen sollte die Themenbereiche des jeweiligen Modul 2 abdecken."
Substitutionsprüfung wird zur Pflicht
Während die TRGS 523 in Nummer 5.1 lediglich eine Prüfpflicht vorsah ("muss prüfen, ob für den Zielbereich und die Zieltierart Schädlingsbekämpfungsmittel mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko ... erhältlich sind"), macht die TRGS 540 daraus eine umfassende Substitutionsprüfung mit Dokumentationspflicht.
Abschnitt 4.3.2 Absatz 2 der TRGS 540 erweitert den Prüfumfang erheblich: "Im Rahmen der Substitutionsprüfung sind nicht nur schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen, sondern auch auf Nicht-Zielorganismen und die Umwelt zu beachten." Die Prüfung muss folgende Aspekte berücksichtigen: "Schutzziele und zu bekämpfende Zielorganismen, gefährdete Nicht-Zielorganismen, vorbeugende Maßnahmen sowie physikalische, biologische, chemische und sonstige Alternativen, zugelassene Verwendungen, Anwendungsmethode und Ausbringungsart, Informationen zu den Inhaltsstoffen."
Absatz 10 desselben Abschnitts stellt klar: "Das Ergebnis der Substitutionsprüfung ist zu dokumentieren. Wird eine technisch mögliche Substitution oder eine mögliche sonstige Alternative gem. § 15a Absatz 2 Nummer 1.b) GefStoffV nicht durchgeführt, ist dies zu begründen."
Anhang 6 bietet praktische Hilfestellung mit einer Checkliste und einer Mustertabelle zur Dokumentation. Diese Tabelle verlangt die Gegenüberstellung von Kriterien wie "Zielorganismen/Wirkspektrum", "Biozidwirkstoff(e)", "Anwendungsmethode", "Gefahrenhinweise" und "Umweltgefährdung" für alle in Betracht kommenden Alternativen.
Gefährdungsbeurteilung wird mehrdimensional
Die TRGS 523 forderte in Nummer 12 lediglich eine "arbeitsbereichs- und stoffbezogene Betriebsanweisung", in der "auf die mit dem Umgang mit Gefahrstoffen verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt hingewiesen wird." Die neue TRGS 540 verlangt in Abschnitt 4.3.3 eine weitaus komplexere Gefährdungsbeurteilung.
Absatz 1 nennt drei Kernbereiche: "Einsatzgebiet und Verwendungsart des Biozid-Produkts, Anwendungsmethode und die damit verbundenen Risiken für die Gesundheit von Menschen, Nicht-Zielorganismen sowie für die Umwelt, Bei der Verwendung des Biozid-Produkts vorgeschriebene Risikominderungsmaßnahmen."
Absatz 2 konkretisiert zwölf zu berücksichtigende Punkte, darunter: "Methode des Ein- und Ausbringens (Anwendungsmethode) des Biozid-Produkts, Art und Menge des verwendeten Biozid-Produkts, Arbeitsverfahren einschließlich der Arbeitsmittel, Art, Dauer und Ausmaß einer möglichen Exposition durch das Biozid-Produkt unter Berücksichtigung aller Expositionswege, Physikalische Gefährdungen einschließlich Brand- und Explosionsgefährdung, Auswirkungen auf Dritte, Umwelt, Ziel- und Nicht-Zielorganismen."
Besonders relevant ist Absatz 3: "Die ermittelten Gefährdungen für die Gesundheit von Menschen, Nicht-Zielorganismen und Umwelt sowie physikalische Gefährdungen sind unabhängig voneinander zu beurteilen und in der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen."
Abschnitt 4.3.1 Absatz 4 stellt zudem höhere Anforderungen an die durchführende Person: "Die Gefährdungsbeurteilung einschließlich Substitutionsprüfung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden." Anhang 4.3 präzisiert die erforderlichen Zusatzkenntnisse, die über die in der TRGS 400 genannten Anforderungen hinausgehen.
Anzeigepflicht wird modifiziert
Die TRGS 523 forderte in Nummer 3.1 eine pauschale Anzeigepflicht: "Wer Schädlingsbekämpfungen nach Nummer 1 durchführen oder nach mehr als einjähriger Unterbrechung wieder aufnehmen will, hat dieses mindestens sechs Wochen vor Aufnahme der ersten Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen."
Die TRGS 540 differenziert hier. Die allgemeine Anzeigepflicht entfällt zunächst, wird aber in Abschnitt 1 Absatz 5 auf die noch in Vorbereitung befindliche TRGS 541 verwiesen: "Weitergehende Anforderungen an die sachkundepflichtige Verwendung von Biozid-Produkten sowie Anzeige- und Erlaubnispflichten werden in den auf dieser TRGS aufbauenden TRGS 541 'Verwendung von Biozid-Produkten - Sachkundepflicht' (in Vorbereitung) ... konkretisiert."
Für Schädlingsbekämpfungen in Gemeinschaftseinrichtungen bleibt allerdings eine Mitteilungspflicht faktisch bestehen, auch wenn diese in der TRGS 540 nicht explizit geregelt wird. Die TRGS 523 widmete dem Thema noch einen eigenen Abschnitt 15, der eine 14-Tage-Frist vorsah.
Informationsquellen werden systematisiert
Die alte TRGS 523 nannte kaum spezifische Informationsquellen. Die neue TRGS 540 listet in Abschnitt 4.2 detailliert auf, welche Quellen heranzuziehen sind.
Absatz 1 nennt neun Kategorien von Informationsquellen, wobei an erster Stelle steht: "Für zugelassene Biozid-Produkte die ECHA-Datenbank und die über diese Datenbank abrufbare Zusammenfassung der Eigenschaften des Biozid-Produkts (SPC)." Die Verwendung dieser Quelle wird "insbesondere empfohlen im Zusammenhang mit dem Auswahlprozess eines geeigneten Biozid-Produkts, ermöglicht über die Suchoption 'Produktart', der Substitutionsprüfung, der Prüfung der aktuellen Verwendungsbedingungen."
Weitere genannte Quellen sind "Einstufung und Kennzeichnung der Biozid-Produkte" mit Sicherheitsdatenblatt, Produktkennzeichnung und technischen Anweisungen, "Schutzleitfäden der BAuA für Biozid-Produkte", technische Regeln und Normen sowie branchenspezifische Regeln.
Anhang 5 der TRGS 540 widmet sich ausführlich der Erläuterung der SPC. Dort wird der Aufbau detailliert beschrieben: "Im Einzelnen enthält die SPC folgende Kapitel: 1. Administrative Informationen ... 2. Produktzusammensetzung und -formulierung ... 3. Gefahren- und Sicherheitshinweise ... 4. Zugelassene Verwendung(en) ... 5. Anweisungen für die Verwendung ... 6. Sonstige Informationen."
Besonders wichtig ist der Hinweis: "Die Anwendungsbestimmungen und Risikominderungsmaßnahmen sind für die Gefährdungsbeurteilung von besonderer Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass in Abschnitt 5 Bestimmungen aufgeführt werden, welche für alle Verwendungen des Produkts zu beachten sind. Zusätzlich werden in Abschnitt 4 Bestimmungen aufgeführt, die nur für die jeweilige dort adressierte Verwendung gelten."
Persönliche Schutzausrüstung: Vom Automatismus zum STOP-Prinzip
Die TRGS 523 enthielt in Nummer 9.6 eine simple Tabelle: Bei Gießen waren keine Atemschutzmaßnahmen erforderlich, bei Sprühen wurde eine Vollmaske verlangt. Die neue TRGS 540 macht die Sache komplexer, aber auch flexibler.
Abschnitt 5.11 Absatz 1 stellt klar: "Der Arbeitgeber hat vor Beginn der Tätigkeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen, ob und welche persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Abhängigkeit von Verwendung oder Produktart erforderlich ist. Dabei hat er die Vorgaben der Produktinformationen zu beachten."
Absatz 3 erlaubt nun Substitution: "Die mit der Zulassung vorgeschriebene persönliche Schutzausrüstung ist grundsätzlich zu verwenden, sie soll jedoch unter Beachtung des STOP-Prinzips durch technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen ersetzt werden, wenn hier damit mindestens das gleiche Schutzniveau sichergestellt werden kann." Weiter heißt es: "Die Produktinformationen weisen teilweise durch den Verweis auf die Richtlinie 98/24/EG ... ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des STOP-Prinzips hin."
Dies gibt Praktikern mehr Spielraum: Statt automatisch eine Vollmaske beim Sprühen zu tragen, kann beispielsweise eine Lokalabsaugung eingesetzt werden, wenn diese das gleiche Schutzniveau erreicht.
Abschnitt 5.2 Absatz 2 konkretisiert: "Beim Verwenden eines Biozid-Produkts durch ein gewähltes Verfahren, bei dem Stäube, Dämpfe oder Aerosole entstehen, sind geeignete Lüftungsmaßnahmen zu treffen. Diese können eine natürliche Lüftung (z. B. Öffnen von Fenstern und Türen), eine technische Lüftung (z. B. raumlufttechnische Anlagen) oder Absaugungen an der Emissionsquelle (z. B. Lokalabsaugung) sein."
Umwelt- und Tierschutz rücken ins Zentrum
Während die TRGS 523 Umweltschutz nur am Rande erwähnte (etwa in Nummer 7.10 bezüglich der Entsorgung), macht die TRGS 540 Nicht-Zielorganismen und Umwelt zu gleichwertigen Schutzzielen neben dem Schutz des Menschen.
Abschnitt 5.3.4 Absatz 10 fordert: "Biozid-Produkte dürfen nicht in die Umwelt gelangen, sofern die sachgemäße Verwendung dies nicht vorsieht. Der Eintrag von Biozid-Produkten in die Umwelt ist bei der sachgemäßen Verwendung zu minimieren." Weiter heißt es: "Eine Kontamination angrenzender Bereiche mit Biozid-Produkten ist zu vermeiden. Dies betrifft auch indirekte Umwelteinträge z. B. über die Kanalisation und Straßenabläufe in Gewässer."
Absatz 11 konkretisiert: "Die Behandlung von beweglichen Gegenständen (wie z. B. Bauholz, Möbeln oder Booten) mit Biozid-Produkten sollte auf undurchlässigem Untergrund sowie vor Niederschlag geschützt und möglichst windgeschützt erfolgen, um Kontaminationen des Bodens und des Niederschlagwassers zu verhindern. Die Lagerung der frisch behandelten Gegenstände sollte ebenso vor Niederschlägen geschützt und auf undurchlässigem Untergrund erfolgen."
Abschnitt 5.2 Absatz 3 fordert Abdriftvermeidung: "Bei der Anwendung von Biozid-Produkten insbesondere in Sprüh- oder Spritzverfahren können diese auf Nicht-Zielflächen abdriften. Dies muss zum Beispiel durch Verwendung abdriftmindernder Technik so weit wie möglich vermieden werden."
Für Rodentizide enthält Abschnitt 5.8 Absatz 2 eine spezielle Verpflichtung: "Bei der Verwendung von Biozid-Produkten der Hauptgruppe 3 'Schädlingsbekämpfung' müssen, soweit dies möglich ist, ebenfalls die im Rahmen der Schädlingsbekämpfung anfallenden abgetöteten Zielorganismen eingesammelt und ordnungsgemäß entsorgt werden." Dies dient dem Schutz von Nichtzielorganismen wie Greifvögeln oder Füchsen, die vergiftete Nager fressen könnten.
Dokumentationspflichten werden erweitert
Die TRGS 523 forderte in Nummer 16 lediglich: "Anwendungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln sind ausreichend zu dokumentieren. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen."
Die TRGS 540 präzisiert dies erheblich und verlangt mehrere parallele Dokumentationsstränge:
Abschnitt 4.3.2 Absatz 10 fordert: "Das Ergebnis der Substitutionsprüfung ist zu dokumentieren."
Abschnitt 4.3.3 Absatz 7 verlangt: "Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung mit der Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen und Wirksamkeitsprüfungen ist zu dokumentieren."
Abschnitt 5.3.1 Absatz 3 fordert ein Gefahrstoffverzeichnis: "Biozid-Produkte sind im Gefahrstoffverzeichnis aufzuführen, siehe § 6 GefStoffV. Bei zugelassenen Biozid-Produkten wird empfohlen, zusätzlich zum Sicherheitsdatenblatt auf die jeweiligen SPC zu verweisen."
Anhang 4 verlangt die Dokumentation von Fortbildungen: "Es ist empfehlenswert spezifische Fortbildungsmaßnahmen zu dokumentieren."
Besonders relevant ist Abschnitt 6.9 Absatz 11 zur Freigabe: Die TRGS 523 forderte in Nummer 6.11 bereits, dass "bei einer Schädlingsbekämpfung ... die Freigabe durch den Sachkundigen schriftlich erfolgen" muss. Die TRGS 540 behält dies bei, allerdings ohne explizite Nennung in einem eigenen Abschnitt, was zu Unsicherheiten führen könnte.
Kontinuitäten trotz Wandel
Trotz aller Änderungen bleiben wichtige Kernelemente erhalten. Die Sachkundepflicht bleibt für bestimmte Produkte erforderlich, auch wenn die Details nun in der TRGS 541 geregelt werden sollen.
Die Betriebsanweisung und Unterweisung bleiben zentral. Die TRGS 523 widmete dem in Nummer 12 einen eigenen Abschnitt, die TRGS 540 behandelt dies nun in Abschnitt 5.3.3. Beide fordern eine jährliche mündliche Unterweisung anhand der Betriebsanweisung.
Die Lagerung unter Verschluss für besonders gefährliche Produkte bleibt bestehen. Die TRGS 523 forderte in Nummer 11.4: "Mit 'T+' oder 'T' gekennzeichnete Schädlingsbekämpfungsmittel sind unter Verschluss oder so aufzubewahren oder zu lagern, dass nur sachkundige Personen Zugang haben." Die TRGS 540 formuliert in Abschnitt 5.6 Absatz 4: "Biozid-Produkte, insbesondere Biozid-Produkte der Hauptgruppe 3 (Schädlingsbekämpfungsmittel) sind so zu lagern, dass sie für Dritte und Nicht-Zielorganismen (insbesondere Haus- und Wildtiere) unzugänglich sind."
Die arbeitsmedizinische Vorsorge bleibt ein Kernthema. Die TRGS 523 regelte dies in Nummer 10, die TRGS 540 widmet dem ein ganzes Kapitel 6 mit detaillierten Verweisen auf die Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV).
Beschäftigungsbeschränkungen für Schwangere und Jugendliche bleiben bestehen. Die TRGS 523 verwies in Nummer 13 auf das Jugendarbeitsschutzgesetz und die Mutterschutzrichtlinienverordnung, die TRGS 540 nimmt dies in Abschnitt 3 Absatz 6 auf: "Die Beschäftigungsbeschränkungen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) und dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) bleiben unberührt."
Fazit: Professionalisierung durch Komplexität
Die TRGS 540 ist mit 44 Seiten mehr als doppelt so umfangreich wie die 20-seitige TRGS 523. Diese Expansion spiegelt nicht nur europäische Harmonisierung wider, sondern auch ein gewachsenes Verständnis für die Komplexität der Materie.
Die Substitutionspflicht mit Dokumentation, die mehrdimensionale Gefährdungsbeurteilung, die differenzierten Verwenderkategorien und die Fachkundeanforderungen machen die Arbeit zunächst aufwendiger. Gleichzeitig bieten sie aber auch mehr Rechtssicherheit und Professionalität.
Der Wegfall der pauschalen Anzeigepflicht (sofern die TRGS 541 hier keine Rückschritte bringt) und die Flexibilität beim Einsatz von PSA durch das STOP-Prinzip zeigen, dass Professionalisierung nicht nur Mehrbelastung bedeuten muss.
Entscheidend wird sein, wie die noch ausstehenden TRGS 541 und 542 die offenen Fragen regeln. Bis dahin gilt: Die Zeit für oberflächliche Schädlingsbekämpfung ist endgültig vorbei. Wer professionell arbeiten will, muss sich intensiv mit der neuen Systematik auseinandersetzen. Die TRGS 540 ist weniger ein Regelwerk zum Durchblättern als vielmehr ein Arbeitshandbuch zum regelmäßigen Nachschlagen.
Für Fortbildungen bedeutet dies: Die Anhänge 4, 5 und 6 der TRGS 540 sollten zum Pflichtprogramm gehören. Anhang 4 konkretisiert die Fortbildungsanforderungen, Anhang 5 erklärt die SPC als neue zentrale Informationsquelle, und Anhang 6 liefert praktische Werkzeuge für die Substitutionsprüfung. Wer diese drei Anhänge beherrscht, hat die Grundlage für professionelle Schädlingsbekämpfung nach neuem Recht gelegt.
